Ein Siegel für Essen mit "Ohne Gentechnik" - wtf? Ist es das was die Leute wollen? Nur damit ich das mal richtig sehe:

Keinen jucken überzüchtete Maissorten die die Erde unfruchtbar machen, keinen jucken überdüngte Felder die das Grundwasser verunreinigen, keinen jucken Pestizide, keinen jucken die desaströsen Zustände in Deutschen Kuh- und Schweineställen? Aber Gentechnik soll gefährlich sein?

Die Steuergelder die man für so ein Siegel ausgibt könnte man erheblich besser in sinnvolle Aufklärung investieren. Das Konzept des "Gens" ist nämlich für die meisten Menschen zu abstrakt als dass sie damit etwas sinnvolles anfangen könnten, und im Alltag kommen solch abstrakte Dinge selten vor.

Mir drängt sich oft der Eindruck auf, die Leute sehen in "Genen" irgendeine magische Entität die potentiell gefährlich ist, und magisch von allem besitzergreifen kann, das damit in Berührung kommt. Und diese Vorstellung ist erstmal völlig Kontraproduktiv.

Zwar bezeichnet "Gen" immernoch eine Basensequenz, die also materiell ist, aber der kruziale Teil des "Gens" ist nicht diese Sequenz, sondern die darin enthaltene Information: Letztendlich handelt es sich bei Genen primär um Software, und ich habe den Eindruck dass auch der Sprachgebrauch eher dahin geht, dass man mit "Gen" eher die Erbinformation selbst bezeichnet, als die Basensequenz. Ein Gen ist demnach nichts was man anfassen kann, nichts was man irgendwo hinstellen kann, nichts was man nicht auch per E-Mail verschicken könnte. Es ist damit insbesondere nichts das man zerstören kann, und nichts das für sich genommen in irgendeiner Weise gefährlich sein könnte.

Gefährlich kann ein Gen werden wenn es zur Expression kommt, wenn die Information also Anwendung findet. Die betreffende Pflanze wird daraufhin entsprechend des genetischen Codes eine Aminosäurensequenz, ein Protein, erzeugen, sie könnte beispielsweise Gift produzieren, oder so überresistent sein, dass sie alle anderen Pflanzen verdrängt. Die Möglichkeiten sind theoretisch vielseitig. Praktisch ist das aber eher unrealistisch. Realistischer ist ein Szenario das eine bestimmte Pflanzenart unbenutzbar (z.B. ungenießbar) macht, und durch jahrelanges nichteindämmen irgendwann die ursprünglich nutzbare Pflanzenart verdrängt, und damit potentiell den Rest des Ökosystems aus dem Gleichgewicht bringt, und da Ökosysteme chaotisch sind, kann das verheerende Folgen haben. Die meisten Eingriffe der Menschen in die Natur mit solchen Folgen sind aber letztlich aus Dummheit entstanden. So etwas passiert zum Beispiel, wenn man Menschen, deren einziges Ziel die Profitmaximierung ist, diese Möglichkeiten eröffnet.

Und realistisch betrachtet wird es genau darauf hinauslaufen: Irgendwelche Politiker werden sich lange genug zuschwallen lassen dass sie es für notwendig erachten, Gentechnik zu subventionieren, mit entsprechenden Garantien dass der Staat für alle Folgen aufzukommen hat, und Unternehmer werden daraufhin optimieren, genau die Risiken einzugehen, für die der Staat bürgt. Zumindest interpretiere ich so die Ereignisse um die Kernkraft, und sehe nicht, wieso sie nicht auch hierauf anwendbar sind. Ich halte die ganzen Anstrengungen der Lobbyisten rund um die Gentechnik in den USA für einen Versuch, das Patentrecht zu missbrauchen, und in Europa für einen Versuch, die Planwirtschaft um die Landwirtschaft herum zu brechen.

Ich bin dementsprechend erstmal klar gegen den breiten Einsatz von Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion, insbesondere in der sich anbahnenden Form. Ich sehe keine großartigen Möglichkeiten darin, ich halte das ganze Thema sowohl in positiver als auch in negativer Richtung für weit überschätzt. Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut muss für alle dadurch entstandenen Schäden aufkommen, und da es sich hier um etwas handelt, das potentiell sehr gefährlich ist, ist es durchaus rechtfertigbar, soweit in die Freiheit einzugreifen, einen Nachweis zu verlangen, dass die rechtliche Person dazu im Zweifelsfall auch in der Lage wäre - sollte man übrigens genauso bei Kernkraft machen, meiner Meinung nach.

Aber in Gentechnik sehe ich bei der Landwirtschaft irgendwie immernoch das kleinste Übel. Gentechnik ist eine Form des menschlichen Eingriffs in die Natur. Eine von Vielen. Man sollte eher die Gesamtheit im Auge behalten.

Übrigens wird Gentechnik unlängst zur Medizinproduktion verwendet, modernes Humaninsulin beispielswiese wird so hergestellt.