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Neusprech ist ein Begriff aus dem Buch 1984 von George Orwell, das ich zugegebenermaßen bisher nicht gelesen habe. Soweit ich aber die Beschreibungen gelesen habe, scheint es dabei um die gezielte Umdefinition von Wörtern zu gehen.

Der Begriff kam mir jedenfalls sofort in den Sinn, als ich diesen Artikel auf dem Law Blog las.
Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamtes, gab in einem dort verlinkten Interview von sich "Etwas vom Gesetzgeber Verbotenes dem öffentlichen Zugriff zu entziehen, kann keine Zensur sein.".

Ich frage mich, was ist Zensur dann? Handelt es sich um nichts Verbotenes, wird es ziemlich schwer werden, es dem öffentlichen Zugriff zu entziehen. Ist die Maßnahme gesetzlich angeordnet, so handelt es sich bereits um etwas Verbotenes.

Diese Seite meint, man müsse zwei Arten von Zensur, die Vorzensur und die Nachzensur, unterscheiden. Vom Grundgesetz wird nur Erstgenanntes verboten, gleiches meint Wissen.de.

Dieser Definition entsprechend handelt es sich bei Netzsperren also anscheinend wirklich nicht um Zensur. In meinen Augen eine seltsame Gesetzgebung. Darf damit dann jedes Buch nachträglich verboten werden? Und wenn ja, inwiefern ist das moralisch besser als die Bücherverbrennungen in Mittelalter und Neuzeit? Ein verbotenes Buch darf nicht verbreitet werden - ob man es nun öffentlich auf einem Scheiterhaufen verbrennt, oder nach einer Beschlagnahmung durch den Gesetzgeber vernichtet.

Wir haben vielleicht gesetzliche Rahmen die solche Nachzensuren einschränken, aber gesetzliche Rahmen lassen sich auch sprengen. Die Gegner der Netzsperren haben auch primär diese Angst - ist die Infrastruktur erstmal da, kann sie missbraucht werden. Und noch viel schlimmer, die Ausweitung einer solchen Maßnahme wird zu einem Gewöhnungseffekt führen, denn viele Probleme lassen sich durch Nachzensur erheblich einfacher lösen als durch Alternativen.