Information is not knowledge, knowledge is not wisdom, wisdom is not truth. (Frank Zappa)

A stone containing the word "Hope" styled in a way that it becomes "adolf" when turned around.
(Source: HugeLOL)

Mein Gott, da interessiert man sich mal ein paar Monate nicht für Politik und dann sowas. Was zum fick? Erst solidarisiert sich die Bild (!!!) mit Flüchtlingen und alle Ankömmlinge werden mit Teddybären beworfen, dann passieren irgendwelche "Übergriffe" in Köln (was genau passiert ist scheint ja irgendwie keiner zu wissen und auch irgendwie niemanden wirklich zu interessieren) und schon kippt die Stimmung von überschwänglicher Willkommenskultur ins Gegenteil über? Was ist denn das für eine Meinungsbildung? Wie soll man denn so nachhaltige Politik machen? Wie soll man so irgendetwas machen?

Warum bin ich hierzulande eigentlich gezwungen mich zwischen zwischen Flüchtlinge-mit-Teddybären-bewerfen oder "Wir-sind-das-Volk"-Rufen zu entscheiden?! Haben wir keine normalen Leute mehr? Während Teddybärdeutschland mir ja durchaus sympathischer ist, verkennen doch beide Seiten irgendwie das Problem, dass wir es nicht mit einer grauen Masse zu tun haben, sondern mit relativ vielen Individuen, die in der Regel einen Grund haben hier zu sein. Warum kann ich es nicht einfach als neutral ansehen, als ein Ding das passiert, und mit dem man jetzt irgendwie umgehen muss? Und dann irgendwie dafür sein, dass man mit gebotener Souveränität damit umgeht?

Es war doch klar, dass es früher oder später irgendwie irgendwo einen Eklat geben wird. Und dass die Meldungen von Straftaten von Ausländern in die Höhe schnellen werden, schon alleine, weil sich solche Schlagzeilen in solchen Zeiten gut verkaufen, das ist jetzt auch nichts wirklich Neues und nie Dagewesenes. Überhaupt, es ist doch nicht unsere erste Flüchtlingskrise!

Souverän geht man nicht um indem man Leute mit Teddybären bewirft und sie dann bei Eiseskälte in Zeltsiedlungen unterbringt. Souverän ist es aber genausowenig wenn man Straftaten die Einzelne begangen haben herunterspielt oder relativiert. Souverän ist es auch nicht, der Türkei in den Arsch zu kriechen dass die unser Problem löst.

Souverän wäre es gewesen, jedem der lesen kann eine Übersetzung unseres Grundgesetzes in die Hand zu drücken, und ihnen zu sagen, dass darauf unser friedliches Zusammenleben – auch mit dem Islam – hier basiert, und sie sich daran zu halten haben, und wenn sie das nicht tun wir uns gezwungen sehen sie wieder auszuschließen. Souverän wäre es gewesen, den anderen europäischen Staaten kräftig in den Arsch zu treten dass die auch etwas tun, notfalls mit einem EU-Austritt zu drohen. Souverän wäre es gewesen, die Waffen-Exporteure die eine direkte Schuld trifft in die Pflicht zu nehmen. Souverän wäre es aber auch gewesen, viel mehr zu betonen, dass die Ermittlungen in Köln laufen, und im Ergebnis zu Ausweisungen führen können.

Stattdessen diskutieren wir jetzt mit der AfD über bewaffneten Grenzschutz. Ein G7-Staat diskutiert ernsthaft darüber, Waffengewalt gegen wehrlose Menschen einzusetzen – weil wir Angst vor deren (Un-)Kultur haben, und noch viel mehr Angst um unser Geld.

Die Angst um unser Geld hat sich schon in der Griechenlandkrise gezeigt. Wo war diese Angst, als wir Banken mit Steuergeldern aus der Krise gefischt haben? Die Occupy-Bewegungen in Deutschland waren allesamt mickrig und nicht der Rede wert. Wieso brennen heute so viele Flüchtlingsheime, aber es brannte nie eine Bank? Warum sah man nie eine Horde Hartz-IV-Ossis vor Banken skandieren, sie seien das Volk? Vermutlich, weil diese Art Mensch zutiefst feige ist, und sich niemals mit jemandem anlegen würde, der potentiell die Macht hätte, sich zur Wehr zu setzen. Außerdem wäre das ja fast schon wieder links, und links zu sein ist gesellschaftlich verpönt.

Die AfD fordert ja anscheinend auch einen Austritt aus dem Euro und eine neue Währungsunion mit besser wirtschaftenden Nationen, hörte ich in irgendeinem Interview, irgendwas von Schweden oder so wurde gefaselt. Ich bin ehrlichgesagt zu faul nachzulesen ob das jetzt so stimmt oder nicht, die AfD gackert ständig irgendwelchen Müll, muss mich nicht alles interessieren. Aber wenn dem so ist, schön, dann aber bitte auch ohne die neuen Bundesländer, am Besten generell ohne die stark vom Länderfinanzausgleich abhängigen Bundesländer. Ernsthaft, wenn deren asoziale Entsolidarisierungspolitik in diese Richtung wirklich Früchte trägt, werde ich mich auch entsolidarisieren, und die Bayernpartei wählen – dann will ich wenigstens dass bayerisches Geld in Bayern bleibt, und kein Gulden (?) davon in Sachsen landet!

Für die Angst um die Kultur wird gerne das alte und leidige Thema ob der Islam zu Deutschland gehöre wieder aufgewärmt – ohne genau zu definieren, was eigentlich "zu Deutschland gehören" heißt. Wir, oder viel mehr unsere (Groß-)Eltern, haben massenweise Gastarbeiter eingeladen hier zu arbeiten. Diese Leute haben unser Land mit aufgebaut und sind jetzt in dritter und vierter Generation hier. Selbst wenn der Islam nach irgendwelchen obskuren historischen Definitionen nicht zu Deutschland gehört, wir haben ihn selbst zu einem Teil davon gemacht. Und jetzt ist er da. Das kann man jetzt gut finden oder schlecht, akzeptieren muss man es.

Wovor haben wir eigentlich Angst? Irgendwelche Reichsbürger gemäß RuStAG 1913 haben Angst dass unsere edlen blonden Frauen von nicht-deutschen Vergewaltigern geschändet werden könnten. (Tipp: Klickt euch nie durch deren Foren, das macht echt schlechte Laune.) Und auch bei nicht-Geisteskranken ist eine gewisse Xenophobie wohl grundsätzlich immer vorhanden. Aber ich glaube, so unreflektiert ist sie bei den meisten Menschen dann doch nicht. Ich persönlich kenne einfach zu viele Menschen auch aus niedrigeren Bildungsschichten, die sofort bestätigen würden, dass sie nicht glauben, dass ein Großteil der Kriegsflüchtlinge aus Triebtätern besteht, als dass ich glauben könnte, dass das wirklich eine Mehrheitsmeinung ist.

Jim Gaffigan Quote: "See that guy over there with an almost identical religion? I wanna kill him because my God is all about love."
(Source: Seriouslyforreal.com)

Warum haben wir also so viel Angst vor dem Islam? Sind wir nicht eigentlich ein säkulärer Staat, der Mechanismen hat, um uns vor extremen religiösen Einflüssen zu schützen? Vermutlich ist genau das der Punkt: Wir alle wissen wie viel Einfluss die Staatskirchen auf unser Geschehen haben, und wie oft sich der Staat ihnen beugt. Wir haben nicht zuletzt eine offen religiöse Regierungspartei. Man stelle sich vor, die islamischen Menschen organisieren sich eines Tages zu einer Partei, die eine CSU pullt und mit hoher Geistlichkeit für sich wirbt. Am Ende hätte die auch noch Erfolg. Und wir könnten nichts dagegen tun, denn die Religionsfreiheit in unserem Land geht so weit dass man sogar religiöse Parteien toleriert. Und was würde eine solche Partei dann fordern? So blöd, die Scharia einführen zu wollen, ist hier niemand (das würden auch die ganzen Dönerbudenbesitzer sicher nicht mittragen.) Vermutlich die Stärkung der Familie als Grundfeste unserer Gesellschaft, die Nicht-Anerkennung homosexueller Partnerschaften, eine Stärkung der Rechte von Religion, eine gemäßigt soziale Politik – also all der Schlonz den wir schon von den Christdemokraten kennen. Ja, ich finde das auch durchaus besorgniserregend, da ich finde, noch so eine rechtskonservative Partei brauchen wir wie Scheiße am Schuh.

Staatlich kontrollierner islamischer Unterricht an Schulen wurde schon vorgeschlagen. Ich halte diese Idee im Grunde für sinnvoll, denn auf diese Weise kann man dem Extremismus von Halbgelehrten theoretisch vorbeugen. Nun erlebte ich meinen evangelischen Religionsunterricht immer als recht aufgeschlossen (wohl nicht zuletzt weil die Hälfte meiner Schulklasse sowieso atheistisch war), aber Erzählungen vom (primär katolischen) Religionsunterricht in den weniger fortschrittlichen Teilen Bayerns lässt einen nur ausmalen wie grässlich schief so etwas gehen kann.

Die richtige Reaktion wäre es jedenfalls, mehr Laizismus zu praktizieren. Religion zu dem zu machen was es ist – Privatsache, die man respektieren muss, aber die im Interesse des friedlichen Zusammenlebens wenig politischen Einfluss haben darf. Dann brauchen wir auch keine Angst vor dem islamischen Einfluss auf unsere Kultur haben.

Und wo ich grade beim Schulunterricht war. Eine Sache die meiner Meinung nach für die Zukunft gerade bei solcherlei Diskussionen dringend in Schulen gehört ist Wissenschaftstheorie. Und zwar nicht nur so nebenbei, sondern als richtiges Schulfach. Jeder sollte zumindest mal gelernt haben woher Statistiken kommen, wie man sie interpretiert, wie man mit Quellen arbeitet, und vor Allem gerade aktuell: was ein confirmation bias ist. Das wäre in so vielen Bereichen wichtig. Warum ist das kein Schulfach?