Bei Anruf Nilpferd.

Was für ein netter Artikel in der Zeit. für den ich da zwanzig Minuten meiner begrenzten Lebenszeit versch sinnvoll investiert habe

Ein Artikel der sich mit einem einigermaßen aktuellen Thema zu beschäftigen versucht, der Beziehung zwischen Atheismus und Theismus. Schon das Vorwort verspricht großartiges. Am Vorwurf, Atheisten sei nichts heilig wäre etwas Wahres, und trotzdem alles falsch.

Es folgt eine lange Aufzählung von Zitaten, wobei es scheint dass zu jeder getroffenen Aussage auf einer vorderen Seite eine gegensätzliche Aussage auf einer hinteren Seite des Artikels folgt, und jede getroffene Aussage mindestens einen Absatz später relativiert wird.

Dies kann zur Ablehnung des Artikels bei manch einem Leser führen, nicht umsonst, denn hier wird eine Bindung gelöst, die sehr wichtig ist, die Bindung zum Sinn. Wenn mit dem Artikel die Bindung zum Sinn gebrochen wird, stellt sich die Frage, was das bedeutet: Das Ende des Sinns?

Welchen Sinn solche Artikel haben, interessiert noch aus weiteren Gründen. Immerhin dürften drei Viertel der deutschen Bevölkerung solche Artikel regelmäßig lesen, und da wäre es einigermaßen beunruhigend, wenn sie eine Ersatzmeinung annehmen würden, etwa dem, dass Argumente die sich nicht gegenseitig widersprechen einem Text mehr Sinn gäben.

Die Frage nach dem Sinn und Unsinn ist auch deswegen wichtig, weil sie das Verhältnis zwischen Journalisten und Nichtjournalisten betrifft. Allein schon um des Erhaltes der alten Medien, der Stammtischphilosophenkultur und der Kultur der labernden Sozialkundelehrer Willen muss der Graben zwischen beiden Gruppen ausgelotet werden.

Ein Journalist sieht im Sinn teilweise das Problem eines Textes, denn der Sinn würde den Text angreifbar machen, während ein Text ohne Sinn aber mit vielen Zitaten von anerkannten Persönlichkeiten kaum angreifbar ist, oder wie es Leibniz ausdrückte "das Nichts ist einfacher und leichter als ein Etwas".

Man stelle sich vor, man stehe auf einer Autobahn im Stau und lese Zeitung, und liest einen Artikel, und sucht dessen Sinn. Plötzlich merkt man, dass auf die aktuell gelesene Seite eine neue Seite folgt, in der der Sinn folgen könnte. Und auf diese nächste Seite könnte wieder eine Seite folgen, die erst den Sinn beinhaltet. Und das immer so weiter. Jetzt stelle man sich - Gott bewahre - einen unendlichseitigen Artikel vor. Jede Seite verweist für den Sinn auf die nächste, bis ins Unendliche, doch keine ist wirklich der Träger des Sinns.

Das Problem solcher Argumente ist, dass sie regelmäßig scheitern. Deshalb lehnen viele moderne Journalisten rationale Gedankengänge inzwischen ab. Wolle man sinnvolle Artikel produzieren, dann hätte die Ausübung des Journalismus irgendwelche Voraussetzungen - aber dann könnten die wichtigsten Zeitungen kaum noch existieren.

Wenn jemand einen Sinn verbreiten will, muss er idealistisch sein. Wenige Journalisten erwecken diesen Eindruck. Etwa die freien Journalisten, die nebenher auch Bloggen. Die meisten Journalisten von Heute indes sehen keinen Sinn darin.