pred=\n.\f.\x.n(\g.\h.h(gf))(\u.x)(\u.u)

Man stelle sich vor, "ich bin doch nicht behindert" sei ein Werbespruch, so ist die Wirkung die er erzeugt eine Ähnliche wie der frühere Werbespruch der Marke "Media Markt" wohl auf einen Menschen vor etwa eineinhalb Jahrhunderten vor Formulierung dieses Satzes erzeugt hätte, dieser lautete - vielleicht können sich die Altbienen noch daran erinnern - eine ganze Zeit lang "ich bin doch nicht blöd". "Blöd" im heutigen Sprachgebrauch ist ein Schimpfwort, in der Vergangenheit bezeichnete es unter Anderem zwischenzeitlich den Zustand der Behinderung.

Die momentane Sprachentwicklung für das Wort "behindert" geht nun aber ziemlich unbestreitbar in die selbe Richtung. Ich vermute dahinter eine generelle Dummfunktion im makrosozialen Gefüge höherer Primaten, zumal ähnliche Bedeutungswechsel auch bei Wörtern wie "Depp" und "lahm" greifen, und ich kenne nicht genügend Sprachen aber da es zumindest mit dem Wort "freak" im Englischen ähnlich ist vermute ich hier ein Problem das erstmal Sprachunabhängig ist.

Irgendwo las ich nun (leider Quelle vergessen, wer eine hat möge sie mir bitte nennen) dass ähnlich wie bei der Einführung des Wortes "behindert" um der negativen Konnotation von "blöd" die sich bildete zu entgehen nun geplant wird die offizielle Bezeichnung für behinderte Menschen in "retardiert" umzuändern, ich vermute in Anlehnung an das englische "retarded". Laut Wikipedia steht "Retardiertheit" bereits für geistige Behinderung, und die Nutzung des Wortes "behindert" als Schimpfwort zielt wohl auch eher auf geistig behinderte oder wenn nicht dann zumindest stark körperlich deformierte Menschen ab, zumindest halte ich es für kontraintuitiv, jemanden zu beschimpfen, indem ich ihn mit der Gruppe von Blinden, Tauben und Rollstuhlfahrern identifiziere.

Etwas unerquicklich dabei finde ich nun zum Einen, dass "Retard" eigentlich auch ein medizinischer Begriff ist für wirkungsverminderte oder -verlangsamte Medikamente, dementsprechend auf ziemlich vielen Medikamentenschachteln "Retard" steht. Die besorgte Hausfrau und der besorgte Stammtischintellektuelle könnten sich dadurch bedroht fühlen, weil, äh, man kann den Benutzern ja keine Medikamente anbieten die für Behinderte gedacht sind - am Ende machen die gesunde Menschen noch retardiert (es wäre für wahr nicht die dümmste Argumentation die ich kenne).

Außerdem ist "retarded" im Englischen bereits ein Schimpfwort. Ich halte es also für eine eher unglückliche Wahl.

Aber was sind die Alterativen? Komplizierter Beamtenneusprech wie "teilweise vermindert befähigte Person" würde sich in der heutigen Zeit wohl kaum als Schimpfwort durchsetzen, weil es viel zu lang ist, andererseits kann ich mir vorstellen dass man sich dasselbe vor der Einführung des Wortes "behindert" gedacht hat. Die lange Form dieses Wortes ist nun aber auch für den praktischen Nutzen zu lange, und so würde sich kurzerhand wohl das Akronym "TVBP" durchsetzen - und dieses wäre wieder als Schimpfphrase geeignet.

Als Mathematiker sehe ich hier das Problem vermutlich von einer etwas anderen Perspektive als manch ein Politiker, es handelt sich hier um eines der üblichen Wettrüstereien, und wie viele Wettrüstereien kann man auch diese theoretisch durch Nummerierung mit Ordinalzahlen lösen. Beginnen wir also mit 0-TVBP, warten bis es sich als Schimpfwort etabliert hat, um dann die Bezeichnung in 1-TVBP zu ändern, etc. - spätestens beim 25-TVBP wird sich wohl irgendein Bildungsunterschichtler die Bezeichnung "hunderttausendmillionen-TVBP" oder etwas ähnlich Kreatives ausgedacht haben. Dann können wir geschickt wechseln zum "0-0-TVBP", bis wir wieder zum "hunderttausendmillionen-0-TVBP" kommen dauert es sicher, dann kommt der 0-1-TVBT". Aber sicherlich, wir kommen sogar irgendwann zum "hunderttausendmillionen-hunderttausendmillionen-TVBT" und gehen damit über zum "0-0-0-TVBT" und so weiter. Und wenn der "0-...-0-TVBT" nicht mehr ausreicht, nun, dann gibt es ja auch noch transfinite Ordinalzahlen, somit kommen wir also zum "omega-TVBT", und so weiter.

Nun war sich ja schon Einstein sicher dass die menschliche Dummheit unendlich ist, an diesem Beispiel sieht man ziemlich gut, wie unendlich sie eigentlich ist. Praxistauglich ist dieses Prinzip dementsprechend natürlich nicht. Eine Alternative Idee muss her.

Nun, vielleicht löst sich das Problem selbst, denn aus irgendeinem Grund scheint sich inzwischen das Schimpfwort "Opfer" durchzusetzen - ich weiß nicht, aus moralischen Gründen mag ich das vielleicht besser finden, aber mal rein Verstandstechnisch ist es irgendwie erheblich sinnfreier jemanden als "Opfer" zu beschimpfen. Jemanden als "Behindert" zu beschimpfen impliziert im Wesentlichen dass er sich irgendwie unnormal verhält, jemanden als "Opfer" zu beschimpfen impliziert eher dass man selbst an dessen Situation schuld ist.

Ansonsten könnte man von Amtswegen mal ein Schimpfwort für Leute einführen, die die Bezeichnung für Behinderte - welche es denn auch immer ist - als Schimpfwort missbrauchen. Und vielleicht wäre es auch hilfreich, behinderte Menschen nicht in Behindertenheime einzusperren und von der restlichen Welt abzuschotten, aber das nur am Rande.